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Ladakh – Ansichten aus einer anderen Welt

Im Jahr 2016 unternahm ich eine etwas mehr als einmonatige Reise durch Ladakh. Diese kleine Provinz im Nordwesten Indiens gehört zum Bundestaat Jamu-Kashmir und grenzt an Pakistan und China (Tibet).

Die Hauptstadt Leh liegt auf ca. 3600m Höhe und die Temperatur ist im Sommer durchschnittlich mit 24 Grad angenehm warm – wenngleich ich das Gefühl hatte in einem unserer trockensten und heißesten Sommer meines Lebens gelandet zu sein (es gibt im Schnitt nur 5 Regentage pro Monat). Im Winter wird es empfindlich kalt – Nachts im Schnitt mindestens -12 Grad und tiefer. Für mich als Fotograf war es schon immer ein großer Traum in diese Region zu reisen und diese ganz andere Welt zu erfahren. Ladakh gilt in Indien als das “kleine Tibet”. Viele Exil-Tibeter haben hier eine Zuflucht gefunden. Die Kultur der Ladakhis selbst hat trotz seiner Nähe zum angrenzenden Tibet mit seiner tief verwurzelten buddhistischen Religion eine ganz eigene Identität. Aber auch der Nordosten, welcher einen stärkeren Einfluß des Islam spüren läßt hat einen Einfluß im Wesen dieses so außergewöhnlichen Landes. Die tiefe Verbundenheit der Menschen mit der Natur und ihren Gewalten, das Angewiesen sein auf die wenigen fruchtbaren Böden und Quellen hat aber jeher zu einer intensiven Verwebung der Menschen jenseits ihrer Glaubensvorstellungen und kulturellen Unterschiede geführt und ist auch heute noch deutlich sichtbar.

Weite… Weite… Weite…

Ich dachte mir: “Naja, mal schauen ob ich das extra große Zoom-Objektiv mit bis zu 400mm überhaupt brauchen werde. Ist ja ganz schön schwer das Ding – diese ganze Schlepperei bei der Höhe…”
Und dann stehe ich da. Diese unendlich weiten Täler, goldene Farben an den Berghängen rings um mich – wie gemalt, sowieso einfach alles wie gemalt. Das Himmelsblau so intensiv; zum Glück habe ich einen Graufilter mit. Landschaftsaufnahmen mit einem Weitwinkel? Diese Landschaft ist so wie ein Buch mit 1000 Seiten fett gedruckt: denn jeder Satz endet mit: ICH BIN. ICH Natur. ICH Schöpfung. ICH Leben. ICH BUDDHA. ICH UNIVERSUM. Du suchst MICH? HIER – DIREKT VOR DEINER NASE, DA FINDEST DU MICH.
Es hat sich ausgezahlt, das Tragen der Ausrüstung, das Schwitzen. Der Sonnenbrand und die Grippe mit Magendarm durch leckerstes Minzchutney am Pengong-Lake. Die Abstraktionen des Lichts, welche hier permanent ein Zauberwirbel der Farben und Formen erstellen, und schwupps schon wieder vorbei, haben mich tief in ihren Bann gezogen.

… und Klarheit. Der Sternenhimmel

Für mich als Astronomie-Fan, der sich als Teenager die Nächte um die Ohren schlug, um die kleinsten Sternenbilder auswendig zu lernen, war das eines der erhabensten Momente überhaupt. Es ist einfach 100% dunkel. Und dadurch 100% Sternenlicht.

Die Mutter

“Mutter, hast Du lust Dich fotografieren zu lassen?” Mein Fahrer und Begleitung fragt seine knapp 60 jährige Mutter und sie ist einfach nur überglücklich.

Sowieso eigentlich immer gut drauf und voller Spannkraft, zeigt sie hier ihre zutiefst kindliche Seite mit einem Ozean voller Weisheit in ihren Augen. Also hineingeschlüpft in ihre traditionelle Tracht und im besten Zimmer des Hauses wird spontan ein “Shooting” gemacht. Aber jetzt mal die wichtige Frage: sie wirkt einfach glücklich – aus sich selbst heraus. Was ist ihr Geheimnis? Während des Aufenthalts in ihrem Haus kam ich immer mehr dahinter: Sie lebt. Sie lebt intensiv. Sagt “ja” zu den Umständen und die können oft ziemlich anstrengend sein: tägliches Tragen von kiloweise Holz auf dem Rücken, Kochen, Familie mit mehreren Kindern durchbringen und die harten, langen Winter mit rationiertem Essen. Schmerzen hat sie auch, wie sie uns sagt. In den Knien. Die vielen Treppen und die steilen Hänge. Wir merken: Sorgen, die macht sie sich nicht. Sie lebt Vertrauen. Vertrauen in die Familie. Vertrauen in sich.

Vertrauen in die buddhistische Praxis

In fast jedem buddhistischen Haus in Ladakh findet man neben Kuhstall im Erdgeschoss und Wohnräumen im 1. Stock einen Tempel. Es ist immer noch Tradition, dass der oder die Zweitgeborene in ein Kloster geht und eine buddhistische Ausbildung bekommt. Das stiftet Identität und tiefes Vertrauen in die Prozesse des Lebens. Die zu Mönchen  und Nonnen oder Lamas (also Lehrer) ausgebildeten Familienmitglieder haben ein hohes Ansehen und wirken wie Stützpfeiler der Gemeinschaft.

Was bleibt?

Natürlich nicht nur eindrückliche Bilder. Vor allem bleibt Freundschaft. Verbundenheit und tiefe Demut. Freundschaft und Verbundenheit zu vorher unbekannt Menschen, denen nichts höheres am Herzen liegt als das Glück und anderer und die Erfüllung derer Wünsche. Demut vor dem Leben selbst, dem großen Ganzen, dem “ALLES WAS IST”, der Schöpfung – sozusagen die berühmte Frage auf die Antwort “42”. Aus Demut mündet für mich immer wieder Dankbarkeit. Dankbarkeit für die unzählig vielen Geschenke in meinem Leben. Es kann ja schließlich auch alles ganz anders kommen… Vor allem mit einem Zoomobjektiv. Einige der Bilder mündeten 2017 in eine Ausstellung, welche zu 100% aus Crowdfunding finanziert wurde.

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